Ist ein Kündigung während der Krankheit erlaubt?
Nach weitverbreiteter Ansicht sind Kündigungen durch den Arbeitgeber während der Krankheit des Arbeitnehmers schlicht unzulässig. Nach dem Arbeitsrecht der ehemaligen DDR war dies auch genau so gesetzlich festgehalten. Nach bundesdeutschem Recht muss man aber zu einer anderen Feststellung kommen.
Kein Kündigungsschutz für erkrankte Arbeitnehmer
Ob eine Kündigung unzulässig bzw. unwirksam ist, bestimmt sich weitestgehend nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Sind dessen Voraussetzungen gegeben, genießt der Arbeitnehmer Kündigungsschutz. Sofern das KSchG auf das jeweilige Arbeitsverhältnis aber überhaupt Anwendung findet (Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate und Arbeitgeber beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer), enthält es dennoch kein generelles Verbot einen Arbeitnehmer krankheitsbedingt zu kündigen. Das Kündigungsschutzgesetz verlangt vielmehr für jede wirksame Kündigung durch den Arbeitgeber, gleich ob fristlos oder ordentlich, lediglich einen vernünftigen Grund, der zur Kündigung berechtigt. Die Gründe können in der Person des Arbeitnehmers oder in seinem Verhalten liegen, oder schlicht betriebsbedingt sein. Als wichtigster Unterfall der personenbedingten Kündigung gilt dabei eben diese krankheitsbedingte Kündigung, mit der einem Arbeitnehmer, der grundsätzlich durch das KSchG geschützt ist, trotz alledem in zulässiger Weise ordentlich gekündigt werden kann, falls der Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung seine arbeitsvertraglichen Pflichten künftig nicht mehr erfüllen kann.
Dennoch müssen gewisse Voraussetzungen vorliegen, damit die krankheitsbedingte Kündigung auch wirksam ist. Nicht jede vorübergehende Erkrankung berechtigt den Arbeitgeber gleich zu Kündigung.
Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung
Die Rechtsprechung hat folgende Fallkonstellationen entwickelt, die eine Kündigung rechtfertigen können:
- häufige Kurzerkrankungen (Summe der Fehlzeiten nimmt nicht mehr hinnehmbares Ausmaß an)
- lang andauernde Erkrankung (Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht auf kurze Sicht anzunehmen)
- krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit (Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist auszuschließen)
- völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit krankheitsbedingte Leistungsminderung (trotz Arbeitsfähigkeit erhebliches zurückbleiben hinter erwarteten Leistungen)
Folgende Voraussetzungen müssen dazu jedoch erfüllt sein, damit die krankheitsbedingte Kündigung wirksam ist:
- negative Gesundheitsprognose: Es müssen Tatsachen vorliegen, die die Prognose weiterer Erkrankungen des Arbeitnehmers in dem bisherigen Umfang rechtfertigen
- Feststellung der Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers : diese Interessenbeeinträchtigung ist gegeben, wenn aufgrund der Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu Störungen des Betriebsablaufs oder erheblichen Belastungen des Arbeitgebers durch Entgeltfortzahlung kommt.
- Kein milderes Mittels, wie etwa das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
- Interessenabwägung: diese muss ergeben, dass dem Arbeitgeber bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Krankheitsursachen, Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer und des Alters des Arbeitnehmers die Interessenbeeinträchtigung des Arbeitgebers nicht mehr zugemutet werden kann.
Erst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine krankheitsbedingte Kündigung trotz Anwendbarkeit des KSchG wirksam, auch wenn sie während der noch bestehenden Krankheit des Arbeitnehmers ausgesprochen wird. Im Übrigen ist eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber nicht erforderlich, da Krankheiten kein verhaltensbedingter Vorwurf sind.
Handlungsmöglichkeiten nach Kündigung
Gemäß § 4 KSchG kann innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung gegen diese gerichtlich vorgegangen und Kündigungsschutzklage erhoben werden. Gerade bei einer krankheitsbedingten Kündigung sollte deren Wirksamkeit geprüft werden, da in der überwiegenden Zahl der Fälle die Unwirksamkeit der Kündigung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht dargelegt werden kann. Wer jedoch die 3-Wochen Frist versäumt, hat keine Chance mehr die Kündigung wirksam gerichtlich anzugreifen bzw. eine gute Abfindung zu erkämpfen, selbst wenn die Kündigung unwirksam gewesen sein sollte.