Strafverfahren: Kein Anspruch auf Ausdruck von „e-Akten“ in Papierform

Mit Beschlüssen vom 22. September 2014 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf darauf hingewiesen, dass in einem Strafverfahren kein grundsätzlicher „Anspruch“ eines Verteidigers auf Ausdruck einer kompletten e-Akte zum Zwecke einer sachgerechten Verteidigung bestehe, wenn ihm die kompletten Akten dauerhaft in digitalisierter Form als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stehen. Angesichts der Tatsache, dass die elektronische Aktenbearbeitung mittlerweile in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung – auch der Gerichte – zum Alltag gehöre und den gezielten Zugriff auf bestimmte Informationen – gerade bei umfangreichem Verfahrensstoff – erheblich erleichtere, sei es auch einem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche (zentralen) Aktenbestandteile für die weitere Verteidigung auch in Papierform benötigt werden.

Ob die sich für Verteidiger im Falle von Massenausdrucken aus der sogenannten „Dokumentenpauschale“ (Nr. 7000 VV RVG Nr. 1 Buchstabe a) ergebenden „Aufwandsentschädigungen“ vom gesetzgeberischen Willen bei der Einführung und weiteren Ausgestaltung der Dokumentenpauschale erfasst waren und in welcher Weise eine diesbezüglich unter Umständen bestehende Gesetzeslücke seitens der Gerichte zu behandeln sei, habe der Senat derzeit (noch) nicht zu entscheiden.

Gegenstand der anlassgebenden Beschlüsse waren als unzulässig zurückzuweisende Rechtsmittel des Vertreters der Staatskasse gegen landgerichtliche Feststellungsbeschlüsse im zur Zeit vor dem Landgericht Düsseldorf zu verhandelnden „Rethelstraßenverfahren“. Die Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hatte im Verlauf dieses Verfahrens auf Antrag diverser Pflichtverteidiger festgestellt, dass zur sachgemäßen Durchführung der Verteidigung ein Komplettausdruck der in elektronischer Form zur Verfügung gestellten Verfahrensakte erforderlich sei. Unter Berufung auf diese Feststellungsbeschlüsse waren daraufhin Anträge auf vorschussweise Festsetzung entstandener bzw. voraussichtlich entstehender Auslagen in Höhe von bis zu 67.000 € pro Pflichtverteidiger für den Ausdruck von knapp 380.000 Seiten aus elektronischen Datenträgern gestellt worden.

Im Verfahren betreffend die Festsetzung der Dokumentenpauschale berechtige der landgerichtliche Beschluss, so der Senat, die Verteidiger allerdings nicht zum wahllosen Ausdruck aller überreichten Datenträger. Sein Anwendungsbereich sei vielmehr auf diejenigen digitalisierten Aktenteile beschränkt, die das Verfahren betreffen und auch der Kammer in Papierform vorliegen, wobei ein Ausdruck erkennbar doppelt eingestellter Inhalte im Interesse einer kostensparenden Mandatsausübung zu vermeiden sei. Angesichts der außergewöhnlichen Höhe angemeldeter Auslagen seien ferner an die Darlegung und Glaubhaftmachung entsprechend hohe Anforderungen zu stellen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat in einem Fall den geltend gemachten Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Auslagen in Höhe von 67.262,13 € auf 14.043,79 € herabgesetzt. In den zwei weiteren Fällen, über die der Senat zu entscheiden hatte, komme die Festsetzung einer Dokumentenpauschale auf als entstanden angemeldeten Druckaufwand nicht in Betracht. So fehle in einem Fall eine nachvollziehbare Aufschlüsselung des geltend gemachten Druckvolumens von über 84.000 Blatt. Im anderen Fall habe der Pflichtverteidiger die Entstehung seiner Auslagen nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar habe er die Fertigung der Ausdrucke anwaltlich versichert, eine entsprechende Besichtigung durch Vertreter der Staatskasse in seinen Büroräumen jedoch verweigert.

Quelle: OLG Düsseldorf

  29. September 2014
  Kategorie: Strafrecht